Endzeitreport
«Der Apostel Johannes hörte eine Stimme vom Himmel die sprach: "Gehet aus von ihr, mein Volk (aus Babylon), dass ihr nicht teilhaftig werdet ihrer Sünden, auf dass ihr nicht empfanget etwas von ihren Plagen! Denn ihre Sünden reichen bis in den Himmel, und Gott denkt an ihren Frevel.» - Offb. 18; 4-5
Das Gericht über Babylon
Ein Bericht von
Helmut Seeger
Im weiteren Verlauf der Offenbarung sah Johannes ein Weib auf einem scharlachroten Tier sitzen, das mit gotteslästerlichen Namen übersät war und sieben Köpfe und Zehn Hörner hatte: «Das Weib war in Purpur und Scharlach gekleidet und mit Gold, Edelsteinen und Perlen reich geschmückt; in ihrer Hand hielt sie einen goldenen Becher, der mit Greueln und mit dem Schmutz ihrer Buhlerei gefüllt war und auf ihrer Stirn stand ein Name geschrieben, ein Geheimnis: „Groß-Babylon, die Mutter der Buhlerinnen und der Greuel der Erde". Johannes sah das Weib trunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu; bei ihrem Anblick geriet er in großes Staunen. Da sagte der Engel, der ihn im Geist in die Wüste geführt hatte, zu ihm: «Warum bist du so erstaunt? Ich will dir Aufschluss geben über das Geheimnis des Weibes… Die Wasser, die du gesehen hast, wo die Buhlerin thront, sind Völker und Scharen, Völkerschaften und Sprachen… Das Weib endlich, das du gesehen hast, ist die große Stadt, welche die Herrschaft über die Könige der Erde hat.
Später, so berichtet Johannes weiter: «hörte ich eine Stimme vom Himmel, die sprach: Gehet aus von ihr, mein Volk (aus Babylon), dass ihr nicht teilhaftig werdet ihrer Sünden, auf dass ihr nicht empfanget etwas von ihren Plagen! Denn ihre Sünden reichen bis in den Himmel, und Gott denkt an ihren Frevel.» - Offb.18; 4-5.
Die mahnende Aufforderung an Gottes Volk zur Flucht aus Babel ist offensichtlich an die «Endzeitgemeinde» gerichtet, welche - wie es den Anschein hat - sich zu diesem Zeitpunkt noch in der geistlichen Gefangenschaft Babylons befindet und nun aufgerufen ist: «Groß-Babylon» zu verlassen, dessen Sünden bis in den Himmel reichen.
Begreiflicherweise löste der Aufruf «zur Flucht aus Babylon» schon damals bei den jungen christlichen Gemeinden Unsicherheit und Verwirrung aus. Denn zunächst deutete man «die große Stadt, welche die Herrschaft über die Könige der Erde hat und trunken war vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu», auf das heidnische Rom, welches die Christen besonders unter Nero grausam verfolgte. Später dann aber, als die christliche Kirche zur römischen Staatskirche erhoben worden war und nun ihrerseits Andersgläubige verfolgte und Abweichler von der «römisch-katholichen Einheitslehre» mit dem Tode bestrafte, deutete man «Groß-Babylon» auf das päpstliche Rom. Zuerst war es Joachim von Fiore, gest. 1202, danach die Franziskaner und Dante. Und nach der Reformation waren es Luther, Calvin, Bengel und andere, die im verweltlichten Papsttum die Hure Babylon erkannten.
Wie berechtigt es war, das Papsttum als «Hure Babylon» anzuprangern, wird sich erweisen, sobald wir uns mit der Geschichte des Papsttums näher befasst und unsere Ermittlungen auf die ersten Jahrhunderte des Christentums ausgedehnt haben; eines Christentums, das sich seit seiner Entstehung in einer Vielzahl von Glaubensrichtungen gespalten hat und nach der Parabel vom Himmelreich (Matth.25) am Weltende symbolisch in «fünf kluge und fünf törichte Jungfrauen» aufteilen wird.
Die Geschichte des Christentums: Nachdem sich das Christentum trotz Verfolgung durch Juden, Griechen und Römer innerhalb des römischen Imperiums immer stärker auszubreiten begann, warteten die jungen christlichen Gemeinden voller Zuversicht auf die baldige Wiederkunft Christi. Wussten sie doch, dass mit der Erfüllung ihres Missionsauftrages: «Gehet hin und lehret alle Völker», die Aufrichtung seines Friedensreiches in greifbare Nähe rücken würde. Doch der Apostel Paulus - einer der treibenden Kräfte in der Verbreitung des Evangeliums - ahnte wohl damals schon, dass mit der Wiederkunft Christi nicht sobald zu rechnen sein würde. Deshalb zügelte er ihre Ungeduld und ermahnte sie eindringlich: «Laßt euch nicht leichthin aus der ruhigen Überlegung in Aufregung versetzen und euch durch nichts erschrecken, weder durch eine Geistesoffenbarung noch durch (Berufung auf) eine Äußerung oder einen Brief, die angeblich von uns herrühren, als ob der Tag des Herrn schon da wäre. Laßt euch von niemand auf irgend eine Weise täuschen; denn zunächst muß ja doch der Abfall eintreten und der Mensch der Gesetzlosigkeit (oder: des Frevels) erschienen sein, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich über alles erhöht, was Gott oder anbetungswürdig heißt, so dass er sich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich für Gott ausgibt.»
Hätten die christlichen Gemeinden damals geahnt, dass die Verkündigung des Evangeliums erst nach zweitausend Jahren zum Abschluss kommen würde, sicherlich wäre ihr Eifer gedämpft worden. So aber breitete sich das Christentum zügig aus; und bald war es innerhalb des gewaltigen Römischen Reiches zu einem politischen Machtfaktor geworden. Dem römischen Kaiser Konstantin blieb das politische Gewicht der christlichen Kirche nicht verborgen. Darum versuchte er, sie zur Klammer der bedrohten Einheit seines Reiches zu machen (Toleranzedikt, 313).
Welch schädigenden Einfluss aber die neue Religionspolitik Konstantins auf das Christentum ausübte, das erläutert Wolfgang Göller in seinem Kommentar "Die Konstantinische Wende":
«Sicher kann man Konstantin eine persönliche Religiosität nicht absprechen. Aber sein übergeordnetes Interesse war doch die Politik. Für die von ihm angestrebte Universalherrschaft brauchte er eine Universallehre - eine Lehre, die einigen konnte. Und aus der Religionspolitik seiner Vorgänger hatte er gelernt, wie man es nicht machen soll…
Gehörte vorher Mut dazu, Christ zu sein, so kamen jetzt viele zur Kirche, die einfach im Strom mitschwammen. Ein Verlust an geistiger Substanz und moralischer Glaubwürdigkeit war die Folge. Dass die nun entstehende Reichskirche keine andere Kirche neben sich dulden konnte oder durfte, ist klar - im Gegensatz zu den heidnischen Religionen, die immer schon von vielen Göttern sprachen. Nun trat im Christentum ein geistiger Absolutheitsanspruch hervor. Aber dieser geistige Anspruch wurde sehr bald mit zweifelhaften Mitteln durchgesetzt. Zuerst nur vereinzelt, dann immer häufiger erhob sich der christliche Pöbel und zerstörte heidnische Tempel. Wer gestern noch Heide war, stürmte heute seinen einstigen Tempel als Beweis der Rechtgläubigkeit.
Mit der Anerkennung durch den Staat gewann die Kirche jedoch nicht nur zweifelhafte Mitglieder. Sie gewann nicht nur eine Machtfülle, die der Kirche, gemessen an der Anspruchslosigkeit Jesu, ihres Herrn, schlecht anstand. Sie gewann auch Zugang zur Kultur, Zugang zu Schule und Wissenschaft…» ("2000 Jahre Christentum", S.741).
Ein weiterer Kommentar von Wolfgang Göller "Staat und Kirche ab Konstantin dem Großen" zeigt uns, welch einschneidende Veränderung sich durch die "Konstantinische Wende" innerhalb der verstaatlichten jungen "Kirche Christi" ergeben hat:
«Als Kaiser Konstantin sich zu Beginn des 4. Jahrhunderts dem Christentum zuwandte, kam der Wechsel in der kaiserlichen Religionspolitik für die Christen nach der langen Zeit der Verfolgung oder zumindest Bedrohung fast zu rasch. Die Kirche konnte nicht lange jedes Wenn und Aber bedenken. Wer vorher nur auf eine Duldung der Kirche gehofft hatte, wurde einfach von den Ereignissen überrollt. Ein Kaiser, der - aus welchen Motiven auch immer - das Christentum förderte, das war mehr, als die kühnsten Träume zu hoffen wagten… Und über allem solle die Kirche der Integrationsfaktor im Reich sein.
Im Religionsedikt von 380 schließlich wurde das Ende der Religionsfreiheit zementiert. Die katholische Kirche wurde zur Staatskirche erklärt. Gleichzeitig wurde genau angegeben, welche dogmatische Richtung des Christentums man meinte: die des Bischofs von Rom, Damasus (366 bis 384). Man mußte also nicht nur Christ sein, sondern rechtgläubiger Christ. Abweichungen oder gar eine andere Religion wurden als Staatsverbrechen geahndet. Der Staat stellte sich mit den ihm eigenen Mitteln zur Verfügung, Lehrsätze durchzusetzen und zu missionieren. 389 wurde der römische Senat - trotz heftiger Opposition - gezwungen, den alten Glauben zu verdammen und den neuen anzunehmen… In der Folge des Religionsediktes von 380 verschwand das Heidentum rasch von der Bildfläche.» ("2000 Jahre Christentum", S. 742 ff).
Für den Zusammenhalt des gewaltigen Römischen Reiches mag die Anerkennung des Christentums ein geschickter politischer Schachzug gewesen sein, doch der Kirche Christi hat sie unermeßlichen Schaden zugefügt. Weitaus bedrückender aber erscheint die Tatsache, dass sich mit der Verweltlichung der christlichen Religion die irrige Auffassung durchzusetzen begann, mit dem Christentum selbst sei schon das Reich Gottes und die Erfüllung aller Weissagungen einer besseren Zukunft gekommen. In Meyers Konversationslexikon lesen wir dazu folgenden Kommentar:
«Chiliásmus (griech.), der Glaube an ein künftiges tausendjähriges, mit Christi sichtbarer Wiederkunft anhebendes Gottesreich auf Erden…
Durch die seit Konstantin politisch veränderte Stellung der Kirche wurde die Niederlage des Chiliásmus besiegelt. Sobald die siegreiche Kirche es sich auf dem Boden dieser Erde wohnlich gemacht hatte, machte sie sich mit dem Gedanken vertraut, das Tausendjährig Reich sei schon mit dem Christentum selbst gekommen, und Augustin erhob diese Auffassung zur herrschenden. Seitdem galt schlechtweg die Kirche als Reich Gottes und Erfüllung aller Weissagungen einer bessern Zukunft.» (Bd.4, S.31).
Ist es nicht geradezu grotesk, dass die frühchristlichen Gemeinden mehr als dreieinhalb Jahrhunderte lang geduldig auf die Wiederkunft Christi und die Aufrichtung seines Friedensreiches gewartet haben, um dann von Augustinus (354-430) schließlich zu erfahren, das Reich Gottes sei längst schon mit dem Christentum selbst gekommen? Ein fataler Irrtum, der für die politisch ohnehin schon schändlich mißbrauchte Kirche Christi eine folgenschwere Entwicklung heraufbeschwor.
Jakob Kroeker schreibt in seinem Buch "Daniel Staatsmann und Prophet":
«Zwar gab Rom dem damaligen sterbenden Weltstaat den Namen des Gottesreiches, schuf aber im Schoße der Kirche Christi dem heidnischen Geiste und seinem mystischen Kultus eine christliche Herberge. Der Weltstaat wurde Reich Gottes genannt, seine Verfassung wurde die Organisation der Kirche, sein Kultus die Form der Gottesverehrung, seine Priesterordnung der äußerliche Pomp für Christi Stellvertreter und Reichsverweser auf Erden. Hinfort war aber die Kirche nicht mehr Zeugin vom Heil, sie gab sich als Verwalterin des Heils; sie war nicht mehr Prophetin der Offenbarung, sie amtierte als Hüterin der Offenbarung, sie war nicht mehr Geistesschöpfung, sie glänzte als Weltorganisation.» (S.41).
Wäre Augustinus nicht der fanatische Eiferer gewesen, von dem das berühmt gewordene Wort stammt „cogite intrare!" - das heißt „zwingt sie zum Eintritt in die Kirche!", Zwingt sie mit Gewalt! -, dann hätte er bei einem gewissenhaften Studium der Heiligen Schrift erkennen müssen, dass seine Vorstellung vom Reiche Gottes im Widerspruch zur biblischen Aussage steht. Zumal Paulus schon seinerzeit ausdrücklich vor solchen Fehlinterpretationen warnte, als er die Thessalonicher ermahnte, sich nicht von der immer wieder aufflackernden trügerischen Hoffnung, «als ob der Tag Christi schon vorhanden sei», täuschen oder gar verführen zu lassen. Somit bleibt als mögliche Erklärung: Augustinus hat dem allgemein herrschenden Druck nachgegeben und aus rein politischer Erwägung es für opportun gehalten, die «römische Staatskirche» mit ihren größtenteils «zwangsrekrutierten» Gläubigen zum «Gottesreich» zu erheben. Seine Beweggründe liegen klar auf der Hand: In einem «politischen Gottesstaat» hatte der römische Klerus viel eher die Möglichkeit zur Machtentfaltung, als in einer dienenden Kirche.
Wie weit die Verkettung von Staat und Kirche gediehen war und wie schändlich die Kirche für politische Zwecke missbraucht wurde, das entnehmen wir zwei Erlassen des römischen Kaisers Theodosius:
«Im Jahre 380 verkündet er ein Gesetz, das die katholische Kirche zur alleinigen Staatskirche macht. Jeder römische Bürger muß von jetzt an Christ sein. Heidentum oder Ketzerei wird zum Staatsverbrechen… Gültigkeit hat ausschließlich die Orthodoxie. In den folgenden Jahren geht Theodosius noch einen Schritt weiter: Er verbietet den Übertritt zum Heidentum. Alles, was unter römischer Herrschaft lebt, hat von nun an Christ zu sein. Wer kein Christ ist, hat sich damit bereits strafbar gemacht. An die Stelle von Missionierung ist staatlicher Zwang getreten. Die Staatskirche ist geboren. Die Auswirkungen eines solchen Gesetzes sind teilweise grotesk: Die Priester werden Staatsbeamte, jede Meinungs- und Glaubensfreiheit ist erstickt, die Dogmen der Kirche werden Staatsgesetze, deren Übertretung aufs schärfste, meistens mit dem Tode, bestraft wird. Zugleich hebt ein Tempelsturm an, der sich nur noch mit den Greueln früherer Christenverfolgungen vergleichen läßt. Man stürmt die heidnischen Opferstätten, ein roher Pöbel, der sich den Namen Christi anmaßt, raubt und mordet, plündert und brennt nieder, was ihm heidnisch erscheint. «Allein zur Ehre Gottes.» ("Die Kirche lebt - Der Weg der Christen durch zwei Jahrtausende", S.71).
Im Osten des ehemaligen Römischen Reiches war die Frage: «Wer regiert Gottes heilige Kirche?» entschieden: Christus, der Herr der Kirche, hatte keinen Stellvertreter auf Erden; statt dessen besaß der Kaiser die höchste Gewalt in Kirche und Staat.
Es lag nahe, dem im Westen erneuerten Kaisertum, das durch die Kaiserkrönung Otto des Großen von den Karolingern auf die ostfränkischen (deutschen) Könige überging, gleichfalls die Regierungsgewalt über die Kirche zuzusprechen. Allerdings stand hier dem lmperium (Kaisertum) das mit eigener Macht ausgestattete päpstliche Sacerdotium (Papsttum) gegenüber - im Idealfall zur Seite. Im Sachsenspiegel (das älteste und einflussreichste Rechtsbuch des dt. MA) heißt es über das Verhältnis der beiden Gewalten:
«Zwei Schwerter ließ Gott auf Erden, zu beschirmen die Christenheit, dem Papst das geistliche, dem Kaiser das weltliche. Dem Papst ist auch gesetzt, zu reiten zu bestimmter Zeit auf einem weißen Pferd. Und der Kaiser soll ihm den Steigbügel halten, auf dass sich der Sattel nicht verschiebe. Damit wird angedeutet, dass der Kaiser mit dem weltlichen Recht zwinge, dem Papst gehorsam zu sein, wenn dieser Widerstand findet, den er mit geistlichem Recht nicht bezwingen mag. Also soll auch die geistliche Gewalt dem weltlichen Gericht helfen, wenn man ihrer dazu bedarf.»
«Nach kaiserlicher Ansicht empfangen Papst und Kaiser die geistliche und weltliche Gewalt jeweils unmittelbar von Gott. Demnach ist der Kaiser dem Papst gleichgestellt; beide handeln völlig selbständig…
Nach der Interpretation der römischen Kurie (Gregor IX., lnnozenz IV., Bonifaz VIII.) sind dem Papst zwei Schwerter, nämlich geistliche und weltliche Gewalt, verliehen; der Kaiser empfängt die weltliche Gewalt aus der Hand des Papstes, übt sie für ihn aus und ist ihm unterstellt (dieses Verständnis wurde präzisiert durch den Vergleich mit dem Verhältnis zwischen Sonne und Mond).» ("2000 Jahre Christentum", S. 307 u. 981).
Fortan buhlte ein machtbesessenes Papsttum mit den Römischen Kaisern des «Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation» um die «Universalmonarchie». Und als Antwort auf die sich anbahnende Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Königs- bzw. Kaisertum (Investiturstreit) verfaßte Gregor VII., vermutlich im Jahre 1075, in 27 Leitsätzen ein Verzeichnis kirchenrechtlicher Texte ("Dictatus papae") über die Privilegien des päpstlichen Stuhles. In Meyers Konversationslexikon (Bd. 15, S.406 f) lesen wir dazu folgende Anmerkung:
«Die Idee, die sich Gregor VII. vom Papsttum gebildet hatte und die in vieler Beziehung schon von Pseudo-Isidor ausgesprochen worden war, hat eine doppelte Seite, eine politische und kirchliche. Alle früheren Verherrlicher des Papsttums wollten den römischen Bischof nur zum Primas der Kirche erheben; nach Gregors Willen aber sollte er als Repräsentant Gottes auf der Erde erscheinen, von dem nicht bloß die kirchlichen, sondern auch die weltlichen Gewalten abhängen, dem nicht bloß die bischöfliche Autorität, sondern auch die Majestät der Könige untergeben sei. Es ist die Idee einer alles umfassenden Theokratie, an deren Spitze der Papst steht, gleichsam eines großen Lehnsverbandes, der allen kirchlichen und weltlichen Besitz umschließt, und dieser Idee gemäß handelten Gregor VII. und seine Nachfolger, wenn sie Fürsten bannten und absetzten, über Kronen verfügten und Länder verschenkten…
Die Kaiser hatten sich beugen müssen; England, Polen, Ungarn, Bulgarien, Aragonien, Sizilien waren als dem päpstlichen Stuhl zinspflichtige Königreiche in Anspruch genommen; hätten die Kreuzzüge, an sich schon ein Erweis päpstlicher Macht über die Gemüter, Erfolg gehabt, so wäre auch der Orient tributpflichtig geworden. Die Könige der Erde nannten sich Söhne des Papstes und waren bei den schlechten Verfassungsverhältnissen ihrer Länder, bei der Furcht der Völker vor dem lnterdikt, bei der Empörungslust der Vasallen gegen Könige, deren Recht und Macht fraglich zu werden anfing, in vielen Beziehungen von Gunst und Wohlwollen der Päpste abhängig.»
In der Folgezeit residierte ein überhebliches und selbstherrliches Papsttum, das zeitweilig völlig verludert und verkommen war, mit einer ungeheuren Prachtentfaltung nach der Art ägyptischer Pharaonen auf prunkvollen Papstthronen, in Weihrauch gehüllt, von einem Hofstaat und Militär umringt, gleich weltentrückten Götzen, die juwelenglitzernden Tiaren und die Prunkparamente von Straußenfedern umfächelt (Hans Kühner). Diese verweltlichte und sich auf weltliche Macht stützende Kirche war nun nicht mehr eine dienende, sondern eine mit Härte regierende Kirche. Zwischen dem mit Pomp überladenen Klerus, der sich hochtrabende Titel zulegte wie: Eure Heiligkeit, Heiliger Vater, Eure Eminenz, Hochwürden u.a.m., und dem einfachen, schlichten Kirchenvolk war deshalb eine Trennung unausbleiblich. «Die zunehmende Trennung von Klerus und Volk», so kommentiert Günter Stemberger in seinem Buch "2000 Jahre Christentum", «wird auch in der Art der Bischofswahl deutlich. Wird ursprünglich der Bischof von der ganzen christlichen Gemeinde gewählt, so ist diese Wahl ab dem dritten Jahrhundert immer mehr den Presbytern der Ortsgemeinde und den Nachbarbischöfen vorbehalten; das Volk darf bei der Wahl lediglich dabei sein und Beifall spenden. Das „auserwählte Geschlecht" und die „königliche Priesterschaft" (vgl. Ex.19;
6; 1.Petr.2; 9 und Offb.1; 6) wurden immer mehr getrennt: auf der einen Seite das Volk, auf der anderen das Priestertum». Von Brüderlichkeit war innerhalb der ehemals christlichen Kirche kaum mehr die Rede. Papst Innozenz III. erklärte sogar, er sei zwar weniger als ein Engel, aber viel mehr als ein Mensch. Hans Kühner bezieht in seinem Buch "Das Imperium der Päpste" zu diesem Thema wie folgt Stellung und fragt:«Wie weitgehend war Jesus den Papstmonarchen nur Mittel zum Zweck? ...Welche Beziehung bestand zwischen den Papst-Monarchen und dem Manne, der gekreuzigt worden ist und dessen Stellvertreter auf Erden sie sich nannten und nennen, Stellvertreter des Gottes, der Frieden bringen wollte…? Niemals kann Jesus, der Machtlose, eine Machtkirche gewollt haben. Wie fern war dieser das „Mein Reich ist nicht von dieser Welt" gerückt. Das Reich der Papst-Monarchen war, systematisch aufgebaut auf durchaus diesseitigen Interessen, sehr wohl von dieser Welt…» (S.12).
Mit der großen Stadt, die das Reich hat über die Könige auf Erden, kann nach allem, was wir aus der Geschichte des Christentums erfahren haben, folglich nur das Papsttum gemeint sein; denn in einem jahrhundertelangen erbitterten Machtkampf hat es mit den Kaisern und Königen des Mittelalters um die absolute Weltherrschaft gerungen und diesen Anspruch bis in die Zeit der Reformation immer wieder behaupten können.
«Der Abfall der germanischen Nationen in der Reformation erschütterte das Papsttum in seinen Grundfesten; es entstanden protestantische Mächte, die den Päpsten ganz frei gegenüberstanden und ihnen keinerlei Vorrang, am wenigsten das Privileg eines mit besonderen Gaben und Vorrechten ausgestatteten Priestertums und einer sichtbaren Repräsentation Christi, zugestanden» ("2000 Jahre Christentum", S. 286 ff).
Aber auch heute noch, in einer ideologisch veränderten Welt, in der Missglaube und Materialismus über das Christentum triumphieren, hält das Papsttum seinen Weltherrschaftsanspruch aufrecht. Das jedenfalls wird in der Krönungsformel zum Ausdruck gebracht, mit der die neu gewählten Päpste in Rom gekrönt werden: „Empfange die mit den drei Kronen geschmückte Tiara und wisse, dass du bist der Vater der Fürsten und Könige, der Lenker der Welt, der Statthalter unseres Heilandes Jesus Christus auf Erden, dem Ehre und Ruhm sei in Ewigkeit, Amen."
Bezeichnend für die verkommene Reichskirche ist es, dass sie, die als junge christliche Kirche jahrhundertelang selbst unter schwerster Verfolgung gelitten hatte, nun zur ärgsten Verfolgerin Andersgläubiger wurde und jeden mit Folter und Tod bedrohte, der nicht bereit war, den vom heidnisch-römischen Kaiser Konstantin und vom römischen Bischof verordneten «katholischen Einheitsglauben» anzunehmen:
«Die Christen zeigten sich in der Verfolgung Andersgläubiger kaum weniger grausam als die Heiden. Kaum waren die Christenverfolgungen zu Ende, kam es zu harten Verfolgungen der Christen untereinander und der Christen gegen die Heiden. Zum einen bekämpften sich die verschiedenen christlichen Gruppierungen mit unnachgiebiger Härte, die Toleranz, die man bislang für sich selbst gefordert hatte, war nun vergessen. Die verschiedenen Sekten schreckten dabei auch vor Blutvergießen nicht zurück. Während der Kämpfe zwischen den Anhängern der rivalisierenden Päpste Damasus und Ursinus wurden 366 an einem einzigen Tag 137 Menschen getötet. Zum zweiten wurde auch gegen die Heiden von christlicher Seite vorgegangen, ihre Tempel und Statuen wurden zerstört, das Heidentum wurde verfolgt. Die Verfolgung der Heiden war jedoch weniger erbarmungslos als die von Abweichlern innerhalb des Christentums. Die Lehren der Vergangenheit, als die Christen noch selbst unter der Verfolgung litten, waren allzu schnell vergessen.» ("2000 Jahre Christentum", S.713).
Die blutige Spur von Verfolgung, Intoleranz und Tod zieht sich seit der Aufrichtung des sogenannten «Gottesstaates» durch die gesamte römisch-katholische Geschichte. Zudem fielen ungezählte Millionen Menschen den Kreuzzügen, der Inquisition, den Hexenprozessen, der Verfolgung reformierter Christen - Lutheraner, Hugenotten, Calvinisten etc. - und dem dreißigjährigen Glaubenskrieg (1618-1648) zwischen katholischen und protestantischen Fürsten zum Opfer.
Um das Maß ihrer geistlichen Hurerei aber voll zu machen, schuf sich die römische Kirche gleich zu Anfang einen eigenen Gott, der unter dem Namen «Dreifaltigkeit», «Dreieinigkeit» oder auch «Trinität» in die Kirchengeschichte eingegangen ist. In "Reader's Digest Universallexikon" lesen wir folgende Kurzfassung:
«Dreieinigkeit (Dreifaltigkeit, Trinität), christl. Dogma v. der Einheit der göttl. Substanzen Vater, Sohn u. Heiliger Geist; nicht im Urchristentum, sondern erst zwischen dem 2. und 4. Jahrh., bes. im Kampf gegen den Arianismus, entwickelt.»
Weitere Angaben über die «Dreieinigkeitslehre» finden wir im Buch "2000 Jahre Christentum - Kirchengeschichtliches Lexikon":
«Arianismus: Die von der Gesamtkirche als Häresie verurteilte Lehre des Arius, mit der die Wesenseinheit von Vater und Sohn geleugnet wird. Auch nach der theologischen Bewegung des Arianischen Streits innerhalb der Kirche lebt diese Lehre weiter in den germanischen Stämmen, vor allem Westgoten, Vandalen und Langobarden. Nach der Eroberung Westroms verteidigten sie gegenüber der römisch-katholischen Kirche das Arianische Bekenntnis, das vom zeitweilig arianisch bestimmten oströmischen Reich über die Westgoten auf die Germanenstämme gekommen war, als eine Art nationales Gut. Einzelne Stämme hielten an ihm bis ins 7. Jahrhundert fest.
Athanasius von Alexandrien. Der griechische Kirchenlehrer und Patriarch von Alexandrien (295 bis 373) vertrat im Arianischen Streit die Wesensgleichheit zwischen Gott Vater und Gott Sohn und gehörte damit zu den Wegbereitern des trinitarischen Dogmas, das durch die Konzilien von 325 und 381 Gültigkeit in der Römischen Reichskirche erhielt…» (S.911).
Die römisch-katholische «Dreieinigkeitslehre» ist nicht etwa wegen ihres Wahrheitsgehaltes zum Dogma erhoben worden, sondern erst nach erbittertem Widerstande und anhaltenden heftigem Streite mit den verabscheuungswürdigsten Mitteln: „Verleumdung, falschem Zeugnis, ungerechter Anklage, Intrige, Absetzung, Verbannung und Mord" (Wegener) zustande gekommen; und das auch nur, weil heidnisch-römische Kaiser, die sich zwar "christlich" nannten, aber das Christentum lediglich für ihre politischen Zwecke missbrauchten, wieder Ruhe und Frieden innerhalb der zerstrittenen Kirche herstellen wollten (siehe Anhang 1) .
Damit stehen wir nun vor der grundsätzlichen Frage, ob das Dogma von der Trinität Gottes der Realität entspricht, oder reine Blasphemie ist? Die Wahrheitsfindung ist schon deshalb so wichtig, weil es von ihr abhängt, ob sich die vehementen Verfechter dieses Dogmas wider besseren Wissens oder aus kritikloser Kirchentreue der Anstiftung zum Götzendienst schuldig gemacht haben, oder nicht!
Doch zunächst sollten wir erst einmal der Frage nachgehen, wieso Jesus und die Apostel eigentlich niemals von einer «Dreieinigkeit» gesprochen haben? Kannten sie am Ende eine solche Gottheit gar nicht? In der Bibel jedenfalls wird sie nirgends erwähnt, außer an einer unechten Stelle im Johannesbrief (1.Joh.5;
7-8), die aber als Fälschung wieder herausgenommen wurde:«Die in früheren Bibelausgaben V. 7 und 8 stehenden weiteren Worte: „Drei sind, die da zeugen im Himmel: der Vater, das Wort und der heilige Geist; und diese drei sind eins", finden sich weder in den Handschriften des griechischen Textes noch in Luthers eigener Übersetzung.» (Jubiläumsbibel von 1964).
Auch die Taufformel im Matthäusevangelium:
«Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im (oder: in den; auf den) Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes...»,
die immer wieder vordergründig als Beweis für die «Dreieinigkeitslehre» angeführt wird, sagt absolut nichts über einen «dreieinigen Gott» aus. Deshalb heißt es auch in der «Wuppertaler Studienbibel»:
«Die erstmalig hier beginnende dreigliedrige Taufformel ist noch kein ausgeführtes trinitarisches Glaubensbekenntnis, sondern eine dem dreifachen Untertauchen des Täuflings entsprechende liturgische Formel».
Bemerkenswert an dieser Taufformel ist die Tatsache, dass die anderen Evangelisten: Markus, Lukas («der alles von Anbeginn mit Fleiß erkundet hat!») und Johannes sie überhaupt nicht erwähnen. War sie ihnen unbekannt? Oder maßen sie ihr keine sonderliche Bedeutung bei?
Auch die häufig als Argument angeführten Worte Jesu: «Ich und der Vater sind eins» (Joh.10;
30) können keineswegs überzeugen. Andernfalls erhebt sich doch sofort die Frage, wie es sich mit den Jüngern verhält, die nach biblischer Aussage (Joh. 17; 11-23) gleichfalls mit Gott und Jesus « e i n s » seien:«Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien, gleichwie wir … Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater in mir, dass auch sie in uns eins seien, auf dass die Welt glaube, du habest mich gesandt. Und ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen seien in eins und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und liebest sie, gleichwie du mich liebst.»
Die konkrete biblische Aussage: «die Jünger seien eins mit Gott und Christus» würde im Sinne der Dreieinigkeitslehre paradoxerweise doch letztlich bedeuten, dass Gott, Jesus und die Jünger zusammengenommen «wesenseins» seien und somit eine «vieleinige Gottheit» bilden.
Ganz sicher ist das eine absurde Vorstellung! Aber entspricht sie nicht genau der gleichen trügerischen Denkweise, mit der christliche Theologen auch heute noch krampfhaft bemüht sind, die unbiblische «Dreieinigkeit» zu stützen; eine Lehre, die den frühchristlichen Gemeinden völlig fremd war, und deren Wahrheitsgehalt die Religionswissenschaft bis heute schuldig geblieben ist? Fragen wir doch einmal den Theologen von heute, was wir uns unter einem «dreieinigen Gott» vorzustellen haben? Erstaunt werden wir feststellen, dass der gesamte Klerus nicht in der Lage ist, auf diese Frage eine verbindliche und zufriedenstellende Antwort zu geben. Angeblich ist die «göttliche Dreieinigkeit», deren Wurzeln nachweislich im hellenistischen Denken zu suchen sind, ein großes Geheimnis, ein Mysterium, das mit dem menschlichen Verstand nicht fassbar sei und deshalb auch von niemandem erklärt werden könne. Aber ist das nicht geradezu ein Eingeständnis ihrer Hilflosigkeit einem Dogma gegenüber, das aus dem Heidentum übernommen und in ein christliches Mäntelchen gezwängt wurde, um es verbindlich erscheinen zu lassen? Im "Lexikon zur Bibel" finden wir dazu folgende hilflos anmutende, nichtssagende Erklärung:
«...Wir bleiben hier immer vor einem letzten, dem menschlichen Verstande nicht fassbaren Geheimnis, das kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz je gekommen ist… Weil dieses Bekenntnis, sobald es in Worte gekleidet werden soll, sich der Ausdrucksmittel menschlicher Sprache bedienen muß, hinter denen immer schon bestimmte Vorstellungen stehen, wird es verständlich, dass gerade an diesem Punkte christlicher Lehre die Auslegungen beträchtliche Unterschiede aufweisen. Dies um so mehr, als sich in der Bibel kein einzelner Satz findet, in dem gleichzeitig von der vollen Gottheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes die Rede ist…» (S.510).
In der Neuen Scofield Bibel (S.1022) lesen wir dazu folgenden Kommentar:
«Die drei göttlichen Personen sind ein Gott, nicht drei Götter… Die Dreieinheit Gottes ist gewiss ein großes Geheimnis, etwas das völlig außerhalb der Möglichkeit einer vollständigen Erklärung liegt.»
Angesichts so vieler Widersprüche, Ungereimtheiten und Mystifikationen, die diese ominöse und von falschen Aposteln erdichtete «Dreieinigkeitslehre» wie ein wirres Netz umgeben, sollten wir wachsam und kritisch sein, und uns vom Satan und seinen irdischen Helfershelfern, «die sich für Apostel ausgeben, ohne es zu sein» (Offb. 2), nicht dazu missbrauchen lassen, Jesus Christus in die Nähe der Verfehlungen Satans zu rücken, indem wir ihn «dem Allerhöchsten gleich» und «wesenseins» machen, ohne auch nur den geringsten biblischen Beweis für diese unselige Behauptung in Händen zu halten. Vergessen wir doch nicht, dass es gerade Satan war - der Widersacher Christi und der Menschenmörder von Anfang an -, der sich in seinem Herzen erhob und «dem Allerhöchsten gleich sein wollte» (Hesek.28;
12-18; Jes.14; 12-15), aber für seinen Hochmut von Gott verurteilt wurde und am Ende der Zeiten den endgültigen «Zweiten Tod» erleiden wird (Offb.20; 10).Nachdem es nun weder in der Bibel eine Grundlage für die Dreieinigkeitslehre gibt, noch Jesus selbst oder seine Jünger jemals einen «dreieinigen» Gott verkündet haben, stehen wir vor der Frage, welche zwingenden Gründe es gab, die «Dreieinigkeitslehre» gegen den Mehrheitswillen der frühchristlichen Gemeinden mit Gewalt und gemeinem Mord durchzusetzen? Da biblische Gründe ausscheiden, können es nur politische Interessen gewesen sein, die im Vordergrund gestanden haben, und zwar klerikale Interessen, die ausschließlich der Machtentfaltung des römischen Papsttums dienen sollten; so jedenfalls erklärt es Rudolf Pörtner in seinem Buch "Die Erben Roms":
«…Christus war nach der Lehre des Presbyters Arius von Alexandrien nicht wesensgleich mit dem Schöpfer, sondern nur das höchste aller erschaffenen Wesen. Demgegenüber behauptete (und behauptet) die orthodoxe Lehre die Wesensgleichheit von Vater und Sohn. Konstantin der Große, der erste christliche Kaiser der Welt, hielt den Streit um diese Frage für eine Angelegenheit spitzfindiger Theologen. In der Praxis des Zusammenlebens von Staat und Kirche ergaben sich aus den unterschiedlichen Auffassungen jedoch weitreichende Konsequenzen. Denn wenn Christus nur ein Geschöpf Gottes ist, so wird auch seine Kirche sich bescheiden und den weltlichen Gewalten unterordnen müssen, deren mythische Herkunft ja zumindest von den germanischen Völkern dieser Zeit nicht bezweifelt wurde. Es war deshalb kein Zufall, dass diese durchweg den arianischen Glaubenssätzen huldigten. Folgerichtig ließen sie die Kirchen nicht über eine Art landeskirchlicher Organisation hinauswachsen - eine Rolle, mit der sich die universale römisch-katholische Lehre nie begnügt hat und, kraft ihres Dogmas, nie begnügen konnte.» (S. 23 f).
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die so heftig umstrittene Dreieinigkeitslehre nur Mittel zum Zweck war und lediglich dazu diente, dem machtlüsternen Papsttum den Weg zur Universalmonarchie zu ebnen.
Ob es jemals der römisch-katholischen Kirche gelingen wird, sich von dem Dogma der blasphemischen Dreieinigkeitslehre zu befreien, ist sehr unwahrscheinlich; denn die römischen Päpste, die für sich in Anspruch nehmen, in Glaubensfragen «unfehlbar» zu sein, können Dogmen nicht einfach widerrufen. Diese weitreichende und mit erheblichen Konsequenzen verbundene Entscheidung, das «Trinitarische Dogma» abzulehnen, kann und muß deshalb letztlich jeder Katholik ganz allein für sich selber treffen.
Evangelische Christen hingegen, die durch Luther weitgehendst vom Joch der römisch-katholischen Irrlehren befreit wurden (Mariendogma, Heiligen- und Bilderverehrung, Fegefeuer, Primat des Papsttums etc.), können den Schritt, die unselige Dreieinigkeitslehre aufzugeben, leichter vollziehen, weil für sie in Glaubensfragen die Heilige Schrift zuständig ist; die aber, wie wir nun wissen, einen «dreieinigen Gott» gar nicht kennt.
Zum Schluß bleibt noch die Frage offen, wie der eingeborene Sohn selbst das Verhältnis zu seinem himmlischen Vater beurteilt. Im Gegensatz zur Dreieinigkeitslehre des Athanasius: alle drei Personen seien gleich ewig, gleich groß und in Wirklichkeit seien die drei Götter ein und derselbe Gott, der sich in den drei verschiedenen Seinsweisen oder Personen immer nur als der eine gleiche Gott offenbare, erklärt Christus ausdrücklich: Er sei der Anfang der Schöpfung. Und sein Gott und Vater sei größer als er.
Diese klaren und eindeutigen Aussagen können - im Gegensatz zur Dreieinigkeitslehre - biblisch belegt werden, beispielsweise in der Botschaft Jesu an die Gemeinde zu Laodizea:
«Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Kreatur Gottes; o: der Anfang der Schöpfung Gottes.»
- Offb. 3; 14.Oder im Evangelium des Johannes:
«Ihr habt gehört, dass ich euch gesagt habe: Ich gehe hin und komme wieder zu euch. Hättet ihr mich lieb, so würdet ihr euch freuen, dass ich gesagt habe: Ich gehe zum Vater; denn der Vater ist größer als ich.»
- Joh.14; 28.«Denn meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen. Der Vater der mir sie gegeben hat, ist größer denn alles; und niemand kann sie aus meines Vaters Hand reißen.» Joh.10;
27.Und im Hebräerbrief lesen wir:
«Darum, heilige Brüder, Genossen der himmlischen Berufung, richtet euer Augenmerk auf den Gottesboten und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, auf Jesus, der da "treu" war dem, der ihn geschaffen hat, wie auch Mose „in Gottes ganzem Hause". Denn einer größeren Herrlichkeit (oder: Ehre) als Mose ist dieser würdig erachtet worden»
- Hebr.3; 1-3.Diese konkreten biblischen Aussagen, in denen Jesus freimütig bekennt: «der Vater ist größer als ich», weisen eindeutig darauf hin, dass es zwischen dem allmächtigen Gott und seinem erstgeborenen Sohn - dem Erstling seiner Schöpfertätigkeit und dem Anfang der Schöpfung - offensichtlich eine hierarchische Ordnung gibt, vergleichbar mit der Rangordnung, wie sie nach den Worten des Apostels Paulus auch zwischen Christus und der Gemeinde bzw. zwischen Mann und Frau besteht:
«Der Mann ist des Weibes Haupt, gleichwie auch Christus das Haupt ist der Gemeinde, und er ist seines Leibes Heiland. Aber wie nun die Gemeinde ist Christo untertan, also auch die Weiber ihren Männern in allen Dingen.»
- Eph.5; 23-24.Im Korintherbrief bezieht sich Paulus auf diese Rangfolge und erklärt der Gemeinde:
«Ich lasse euch aber wissen, dass Christus ist eines jeglichen Mannes Haupt; der Mann aber ist des Weibes Haupt; Gott aber ist Christi Haupt.»
- 1.Kor.11; 3.Im weiteren Wortlaut seines Briefes geht Paulus noch näher auf diese hierarchische Ordnung ein und äußert sich wie folgt:
«Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod. Denn «alles hat er ihm unter die Füße gelegt»
(Ps.8; 7). Wenn er dann aber aussprechen wird: «Alles ist unterworfen!», so ist doch selbstverständlich der ausgenommen, der ihm alles unterworfen hat. Sobald ihm aber alles unterworfen ist, dann wird auch der Sohn selbst sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott (alsdann) alles sei in allen (oder: in allem).» - 1.Kor.15; 26-28 (Menge).Auch im Alten Testament wird auf diese Rangordnung hingewiesen. Der Psalmist schreibt:
«Er wird mich nennen also: Du bist mein Vater, mein Gott und Hort , der mir hilft. Und ich will ihn zum ersten Sohn machen, allerhöchst unter den Königen auf Erden.»
- Psalm 89; 27-28.Und Psalm 45, in dem die «Göttlichkeit Christi» hervorgehoben wird, bestätigt ausdrücklich, dass der Sohn Gottes dem Vater unterstellt ist; Christus ist folglich also nicht ein Gott n e b e n Gott, was ja auch gegen das Erste Gebot verstoßen würde: «Du sollst keine anderen Götter neben mir haben», - sondern ein Gott "unter" Gott:
«Gott, dein Stuhl bleibt immer und ewig; das Zepter deines Reiches ist ein gerades Zepter. Du liebest Gerechtigkeit und hassest gottlos Wesen; Darum hat dich Gott dein Gott mit Freudenöl mehr gesalbt denn deine Gesellen.»
- Psalm 45; 7-8.Jesus, der sich seiner nachgeordneten Stellung durchaus bewußt war, und deshalb auch immer wieder betont hat: sein Vater sei sein Gott, sagte nach seiner Auferstehung von den Toten unaufgefordert zu Maria Magdalena:
«Rühre mich nicht an; denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.»
- Joh.20; 17.Und selbst vom Himmel her, im vollen Bewusstsein seiner machtvollen Stellung, weist er noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass sein Vater sein Gott sei:
«Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen; und will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel hernieder kommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen.»
- Offb.3; 12.Nach der biblischen Aussage sind demzufolge Gott Vater und Gott Sohn nicht, wie Athanasius fälschlich behauptet, wesenseins, sondern sie sind zwei verschiedene Götter, von denen allerdings Gott Vater größer ist als der Sohn, und der Sohn nach der göttlichen Rangfolge dem Vater unterstellt ist.
«Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist, und der da war, und der da kommt, der Allmächtige.»
- Offb.1; 8 (Offb.4; 8; 11; 17; 15; 3; 16; 7;16; 14; 19; 6; 19; 15; 21; 6).«Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden» - Offb.2;
8.Und von beiden, also vom Vater, dem allmächtigen Gott, und vom Sohn, der der Erste und der Letzte ist, sagt Johannes:
«Und ich sah keinen Tempel darin; denn der Herr, der allmächtige Gott ist ihr Tempel und (außerdem) das Lamm (Jesus).
- Offb.21; 22.Wenn wir nun einmal unterstellen würden, die Dreieinigkeitslehre entspräche tatsächlich der Wahrheit, dann hätte das ernsthafte Konsequenzen für die Glaubwürdigkeit Jesu. Denn dann taucht doch sofort die Frage auf: Warum hat Jesus auf Erden wiederholt wörtlich erklärt: «Mein Vater ist größer als ich»? Und warum hat er noch nach seiner Auferstehung von den Toten völlig frei und ungezwungen Maria Magdalena beauftragt, seinen Brüdern zu sagen: «Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott»? Wollte uns der «treue und wahrhaftige Zeuge» über seine wahre Identität im Unklaren lassen, oder gar täuschen? Das werden sicherlich selbst wohl auch nicht diejenigen Ignoranten im Ernst annehmen wollen, die auch heute noch vehement ihre blasphemische Trinitätslehre mit dubiosen Sprüchen und trügerischen Scheinargumenten verteidigen! Aber wäre das nicht die logische Folgerung, wenn die Verfechter der Trinitätslehre recht hätten, und es wirklich eine dreieinige Gottheit gäbe? Über diesen offensichtlichen Widerspruch kann auch das dümmliche Geschwätz dogmatischer Fanatiker nicht hinwegtäuschen: Jesus sei ja schließlich als Mensch auf Erden gewesen und habe dem gemäß auch seine Aussagen als «Mensch» gemacht. Dabei übersehen sie geflissentlich, dass Jesus nach seiner Himmelfahrt, also vom Himmel her, in der «Offenbarung, die Gott ihm gab» (Offb.1) seine auf Erden gemachte Aussage, dass «sein Vater sein Gott sei» (Offb.3), wiederholt erneut bekräftigt hat, und ebenfalls vom Himmel her in seiner Botschaft an die Gemeinde zu Laodizea ausdrücklich betont, dass er,
In der Jubiläumsbibel (1964) finden wir über die bereits im ersten christlichen Jahrhundert herrschenden widerchristlichen Zustände, die letztlich den Boden für die blasphemischen Dreieinigkeitslehre bereitet haben, folgenden Kommentar:
«Aus den drei Briefen des Johannes sehen wir, wie sich schon am Ende des ersten christlichen Jahrhunderts allerlei Erscheinungen zeigten, die dem greisen Apostel wohl bange machen konnten beim Blick in die Zukunft der Kirche Christi: auf der einen Seite herrschsüchtige Gemeindevorsteher, die sich um apostolische Weisungen nicht kümmerten, auf der anderen Seite widerchristliche Irrlehrer.» (S.378).
Auch der Apostel Paulus hat vor solchen widerchristlichen Machenschaften gewarnt:
«Denn solche falsche Apostel und trügliche Arbeiter verstellen sich zu Christi Aposteln. Und das ist auch kein Wunder denn er selbst, der Satan, verstellt sich zum Engel des Lichtes. Darum ist es nicht ein Großes, wenn sich auch seine Diener verstellen als Prediger der Gerechtigkeit; welcher Ende sein wird nach ihren Werken.»
(2.Kor.11; 13-15)
© Helmut Seeger